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Téléphoner #11 - Michael Kinzer (Ville de Lausanne) & Franziska Burkhardt (Stadt Bern)

Date: 1. September 2020

Time: 11.30


Durch eine Krise die Szene besser kennenlernen

Franziska Burkhardt sitzt noch nicht lange auf dem Posten der Kulturverantwortlichen der Stadt Bern und hat sich sicher nicht ausgemalt, dass ihre erste Amtszeit von einer solchen Krise gefärbt würde. „Zu Beginn waren wir eigentlich nur Notfalltelefon. Es haben unzählige Leute angerufen und wir hatten keine Antworten. Es war aber wichtig einfach zu zu hören.“ Sie waren in den ersten Monaten vor allem mit Existenzsicherung beschäftigt bis klar wurde, was auf Bundesebene passiert. Die Städte hatten einen schwierigen Stand in der Krise, weil der Bund mit den Kantonen verhandelt hat und es lange dauerte bis die Informationen bei ihnen angekommen sind. „Man fühlte sich immer etwas ausgeschlossen.“

Auch Michael Kinzer ist erst seit ein paar Jahren der Kulturverantwortliche der Stadt Lausanne und sah sich mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Er meint aber: „Die Situation heute ist viel schwieriger, als im März. Damals war es zwar ein Chaos, aber wir standen in regem Kontakt mit der Szene: es mussten schnell Lösungen gefunden und Informationen ausgetauscht werden. Es war das Jetzt, das gezählt hat und die Zukunft hat man noch nicht stark wahrgenommen. Nun haben wir aber mit noch mehr Unklarheiten zu kämpfen, die die Kulturszene langfristig prägen werden.“

Die Situation hat einen sehr nahen Austausch mit der Musikszene bedingt, was auch sehr lehrreich und wichtig war für beide Kulturverantwortlichen. Aus den Gesprächen mit Musikschaffenden wurde spürbar wie tiefgehend sie die Krise getroffen hat. Kulturexterne Menschen meinten oft salopp, dass Künstler*innen doch nun endlich mal die Zeit haben, um kreativ zu sein. Aber in der Realität waren viele aus Überforderung unfähig etwas zu tun. Zudem waren die Kulturschaffenden mit den Gesuchseingaben bei der EO und Ausfallentschädigung beschäftigt.


Bist du Profi oder kein Profi?

Eine grosse Diskussion bei den Ausfallsentschädigungen und beim Erwerbsersatz ist die Definition eines Profis. Beim Erwerbsersatz bist du dann professionell, wenn du zeigen kannst, dass du so und so viel damit verdient hast und dieses Engagement abgesagt wurde. Franziska meint, dass es in der Förderung oft mit einer Ausbildung verbunden ist, dies jedoch mittlerweile keine Voraussetzung mehr ist. In Bern haben sie seit einiger Zeit diese Definition erweitert. Einerseits spielt dabei die Selbstdeklaration eine wichtige Rolle: Ich will davon leben. Andererseits auch die Anerkennung innerhalb der Szene, also die Fremdzuweisung. Michael Kinzer ergänzt, dass wir von einer Generation kommen, wo Künstler*innen einfach gemacht haben. Soziale Sicherheit war ihnen egal. Was heisst es aber nun in unserem System, wenn man 60 Jahre alt ist, im Alter von 20-40 Musik gemacht und sich nicht um diesen Status gekümmert hat? Die Realität ist, dass alle eine soziale Sicherheit benötigen. Die wenigsten Musiker*innen, die zwischen 15 und 30 sich auf Musik fokussieren, können danach eine Karriere daraus machen.


Plan de Relance

In Lausanne haben sie einen Plan de Relance herausgegeben. In Bern gibt es leider diese Möglichkeit nicht. Die Stadt muss sparen, was die jetzige Situation besonders schwierig macht. „Am besten wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber da stellt sich wieder die Frage wer Professionell ist und dies erhalten würde.“ meint Franziska. In Bern machen sie sich aber nun grundsätzliche Gedanken zum Zugang zu Kulturförderung. Zur Zeit hat rund 45% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund in der Stadt. Fakt ist, dass die Barrieren für Gesuchsstellungen enorm hoch sind. „Wir können nicht schreiben, wir können Tanzen!“ meinte eine Künstler*in letztens zu ihr. Das Gesuchswesen muss darum grundsätzlich angepasst werden, damit die Kulturförderung allen offensteht.


Savoir-Faire beibehalten

Die Krise bedingt für alle nun kreativ und flexibel zu sein. Wir müssen versuchen in viele verschiedene Richtungen zu denken, denn die öffentliche Hand kann die Finanzierung nicht ewig so beibehalten. Vielleicht ist es auch eine Chance die Kulturpolitik nun zu überdenken. Es ist ein emotionales Thema und kaum möglich 30 Jahre vorauszudenken. Das schlimmste wäre jedoch, wenn alle Clubs Konkurs gingen und das ganze „Savoir-Faire“ verloren geht. „Kultur bringt eine stabilere Gesellschaft und trägt auch der wirtschaftlichen Umgebung viel bei. Zudem hängt der Tourismus ebenfalls davon ab.“ meint Michael.


Das möchte ich der Szene mitgeben:

Franziska: „Herzlichen DANK für die Arbeit! Die letzten Monate haben den Menschen aufgezeigt wovon sie in der Krise gezerrt haben: Kultur!“

Michael: „Unsere Arbeit ist es die Kulturschaffende zu unterstützen - das ist unser einziges Ziel! Ich wünsche mir, dass wir diesem Schaffen auch gerecht werden können. Glaubt an euch! Es wird leider wohl noch lange dauern.“








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